Trullas Worte:

 

Betty Boo ist mit den Medikamenten relativ stabil. Sie wird voraussichtlich nicht einmal die Hälfte des Lebensalters eines gesunden Hundes erreichen. In Ihrem Körper tickt ein Zeitbömbchen, bei welchem wir so hoffen, dass es nicht zündet!

 

Uns zerreisst jeder Ihrer manchmal seltsamen Bewegungen das Herz und wir freuen uns über jedes "normale" Spiel. Wir lieben es, wenn sie ihre kleine Nase in die weichste Felldecke des Hauses gräbt, noch zweimal kurz nachstupst und dann wohlig seufzend einschläft! Wenn sie zur Spielaufforderung nacheinander jedes ihrer Spielzeuge anbringt, bis wir davon eingekreist sind und wirklich nicht mehr übersehen können, dass JETZT Spielzeit ist.

 

Wie selbstbewusst sie manch schwierige Situation meistert, was uns total stolz macht: Seltene S-Bahn-Fahrten sind toll, Spaziergänge mitten in der City oder in völlig unbekanntem Gebiet können der Hit sein. Mit ihr zur Hintertür raus in den Wald allerdings nach ist immer der Albtraum. Sie zu grossen Pferdesportveranstaltung mitzunehmen klappt super! Pferde findet sie klasse - nur versteckt sie sich zwischen deren Beinen, wenn ein anderer Hund kommt, was dann vielleicht nicht wirklich gut ist und somit von uns im Vorfeld unterbunden wird. Wird die Situation für Betty zu schwierig, kommt sie ins Täschchen und schaut frech raus. In fremden Restaurants oder Häusern fühlt sie sich pudelwohl, wenn ihr Körbchen dabei ist. Pferde findet sie klasse - nur versteckt sie sich zwischen deren Beinen, wenn ein anderer Hund kommt, was dann vielleicht nicht wirklich gut ist und somit von uns im Vorfeld unterbunden wird.

 

Wir haben es aufgegeben, aus unserer Betty einen Hund machen zu wollen, der Spass am Spazierengehen hat, der andere Hunde treffen will, der sich selbständig behauptet, neugierig und aufgeschlossen ist. Wir haben die Idee aufgegeben, einen Hund zu haben, der nicht nur mit zum Joggen geht, sondern auch einen der einfach "mitläuft" in unserem Leben und dieses nicht bestimmt. Heute haben wir das, was wir eigentlich niemals wollten: Einen kleinen neurotischen Kläffer - den wir für nichts auf der Welt eintauschen würden.

 

Eine für unser Leben sehr weit tragende, wichtige Entscheidung, einen Traum, haben wir eingestampft, da wir es unserer Knutschkugel weder körperlich noch psychisch zumuten können, Flugreisen im Gepäckraum zu überstehen, Quarantänen durchzuhalten oder alternativ zu neuen Besitzern zu gehen. Auch neuen Besitzern wäre unsere "Bets" wohl nicht zumutbar. Und sie einschläfern zu lassen, so lange es ihr so gut geht, hätten wir keinesfalls geschafft.

 

Unsere Betty wird immer wie ein Welpe sein. Nein, stimmt nicht. Sie braucht viel mehr Schutz als diese, welche im Gegensatz zu ihr durch ihre Neugier und ihre tägliche Weiterentwicklung ja immer reifer werden.  Auch ihre ungeschickte Motorik bringt sie in dumme Situationen (sie fällt einfach mal eine kleine Mauer runter und ähnliches...).

 

Bei jeder aussergewöhnlichen Bewegung kommt die Angst, dass es jetzt losgeht mit dem prophezeiten Ende: Epileptische Anfällen. Dauerndes im-Kreis-laufen. Dass jetzt der Moment da ist und das Atemzentrum aussetzt. Dass ich jetzt gleich entscheiden muss, welcher Tierarzt um diese Uhrzeit zu uns kommt, um sie zum Regenbogen zu führen... Wie ich es wohl meiner Tochter sage? Es ist unmöglich, nicht daran zu denken. Die Angst sitzt im Nacken und man ist entsetzlich hilflos.

 

Aber im vertrauten Umfeld daheim ist unsere Betty Boo genau der Hund, den wir uns gewünscht haben!

Wir geniessen jeden Tag mit ihr an welchem sie auf uns zugaloppiert, ihr Schnäuzchen in die Decke bohrt und sich ganz nah bei uns zusammenkugelt, nachdem Sie uns alle ihre Spielzeuge präsentiert hat. Und wir hoffen, dass es noch viele solche Tage geben wird!!!!

 

 

Update November 2014:

Leider ist unsere Betty seit Juli nicht mehr so stabil. Wir haben die Medikamente fast verdoppelt und damit ging es dann wieder 2 Monate lang besser. Dann kamen wieder mehr Anfälle. Dabei laufen richtige Schauer über Ihren kleinen Körper. Wir haben versucht mit Cortison dagegen zu steuern. Das funktionierte prima. Sie ist aber ruhiger geworden, trabt wenig, spielt nicht mehr so viel bzw. viel kürzer. Und kullert dabei noch öfter über ihre Beinchen als vorher...

Umso mehr futtert unsere einst mäkelige Dame jetzt. Und wir ignorieren so ein bisschen die ja auch vorhandene Tendenz zu Kalzium-Oxalaten in der Niere.

Das mit dem Stuhlgang und anderen Dingen klappt leider auch immer schlechter. Wenn Betty das Bedürfnis hat zu müssen, dann MUSS sie. Selbst wenn sie 30 Minuten vorher draussen war. So hilft auch nächtens Aufstehen nicht wirklich viel, wenn es nicht gerade zufällig dieses Zeitfenster trifft. Unser früher weisser Teppich im 1. Stock hat nun etliche permanente Erinnerungen bekommen... Aber ich kann sie doch jetzt nicht nur noch unten schlafen lassen!

 

Der Tierarzt schliesst Schmerzen aus, deshalb können wir mit der Situation leben, wie sie ist. Nach wie vor ist sie eine liebevolle Begleiterin, die einfach zufrieden ist, wenn sie dabei ist. Bei Unternehmungen bin ich für Freunde schon ein ungewöhnliches Bild geworden, wenn ich Betty NICHT im Arm habe. Aber sonst kommen wir durch ihr Schritttempo und das ewige Stehenbleiben nie an, wo wir hinwollen!

Ich kann mir gar nicht vorstellen, wie leer es mal ohne meine Betty wird... Auch wenn es mittlerweile echt strapaziös ist... Aber ich habe den Eindruck, die Uhr tickt...

 

Ja - und dann hörte ich, dass vor Monaten Betty's Vollschwester gestorben ist. Sehr plötzlich anscheinend. Richtig offizielles gibt es da nicht - aber das ist ja alles Hörensagen und liegt bestimmt nicht an der Verwandtschaft.

 

Update Oktober 2015:

 

Noch ist es da, unser Mädchen. Aber nein. Stabil ist sie nicht mehr. Sie wird auch richtig wackelig manchmal.

 

Nun hat sie ihren ersten richtigen Anfall gehabt. Das bedeutet, dass sie abwechselnd hysterisch nach allen 4 Pfötchen schnappt und sie somit auf ihrem kleinen Popo wild umherrutscht. Das war jetzt einmal und sehr lange. Auf einer Reise im Hotel vor 2 Wochen. Mitten in der Nacht und ich konnte nur versuchen, sie zu begrenzen, damit sie sich nicht weh tut.

Interessant, wie man überlegt: Klinik? Hört es gleich auf? Muss man morgen einschläfern? Abschied nehmen?

Ich weiss auch nicht, ob es weh tut oder nur vielleicht komisch kribbelt, juckt - whatever. Aber öfter sollte es nicht kommen. Wird es aber, ich weiss... :-(

 

Sie ist enorm anhänglich. Mein kleiner Schatten. Das macht alles noch schwieriger.

 

Seit zwei Wochen hat sie Durchfall. Obwohl ich oft alle 1 1/2 Std. mit ihr aufstehe und rausgehe, schafft sie es nicht immer. Ich bin Weltmeister im Putzen! Früher machte man die Tür auf und sie machte ihr Geschäftchen. Blitzschnell, damit sie schnell wieder ins Warme kam. Jetzt steht sie manchmal nur rum und schaut. Wie ein dementer, alter Mensch. Da muss ich jetzt manchmal schon tief durchatmen, wenn ich wieder in mein warmes Bett will. Das wird bestimmt noch lustiger, wenn es jetzt kälter wird. ;-)

 

In der Früh ist Betty immer super drauf, lustig, will immer essen und ihre Tricks vorführen - gegen Leckerli-Bezahlung natürlich. Solange das so ist, kann ich sie doch nicht einschläfern lassen. Oder???

 

Ich habe grosse Angst sie zu verlieren. Und denke doch manchmal, es wäre leichter, wenn es schon so weit wäre. Und hoffe dann, dass der Zeitpunkt nie kommt!

 

Update November 2015

 

Zum ersten Mal war es am Wochenende soo richtig weit. Das Wissen, dass exakt DIESER Zustand nur ganz kurz zumutbar ist für die Kleine. Die Beinchen haben abends plötzlich versagt und sie konnte nicht mehr koordinieren. Als wären sie gelähmt. Nur ein kurzer Moment, dann torkelte sie sich ein.

 

Habe mit Hund und Mann Nase an Nase auf der Couch geschlafen, dass Betty ja nicht auf die Idee kommt, Treppen zu gehen!

 

Der Tag danach: Unsicher auf den Beinchen wie oft, schläfrig und nicht gut beieinander, aber viel besser.

 

Noch ein Tag später: Aufstehen, spielen. 2 Mnuten Pause. Spielen. Fressen. Sich freudig übers Futter wild im Kreis drehen. Spielen.

 

Was für eine Achterbahn der Gefühle. Es ist zum Kot....

 

Bitte Mädel, mach es mir leicht! Bleib bei EINEM Zustand, damit wir mit gutem Gefühl die Entscheidung treffen können. Diese lustige Betty kann doch nicht zum Tierarzt!!!

 

Update Dezember 2015

 

Die Achterbahn geht weiter. Es ist unglaublich, was Nerven alles steuern und was alles aussetzen kann - und dann aber auch wieder funktioniert!!! Neurologie ist ein wirklich interessanter Bereich.

 

Und niemals hätte ich gedacht, dass es so schwierig ist, eine Entscheidung für das Tier zu treffen. Was ist überhaupt Lebensqualität? Was nicht? Wo ist die Grenze? Auf einer Waage: Wann wiegt das Negative schwerer? Wie denkt ein Hund?

 

Manchmal setzen wir sie aus dem Auto raus - und schwupps: Sie fällt einfach seitlich um. Kann dann auch nicht richtig laufen. Und schläft sofort ein, wenn wir im Haus sind. Nach dem Aufstehen ist sie wieder fit und tanzt um uns rum.

Manchmal torkelt sie im Kreis. Einmal schlafen - und geradeaus geht wunderbar!

Manchmal machen die Zehen einfach nicht mit. Sie kommt nicht auf den Pfötchen auf. Dann fällt sie nach vorne über.  Einige Zeit später: Alles gut.

Dann kommt der erste Krampfanfall. Jeder mögliche Ort wird mit Diazepam ausgestattet! Doch es sollen nicht viele Anfälle werden und auch nur ganz kurze, mein Diazepam kommt gar nicht zum Einsatz

  

Gespräche mit Tierärzten. Was ist zumutbar? Was nicht?

Sie sind sich einig: Wenn ich noch durchhalte, dann ist es noch nicht so weit.

Aussenstehende bekommen in der Regel gar nicht mit, wie es um sie steht. Dass sie immer so komisch läuft, schwänzelt, wird als lustig angesehen. "The sexiest dog alive", habe ich vor Neujahr noch gehört.

 

Ich war mein Leben lang nie so wachsam. Jedes Geräusch wird analysiert und lässt einen innehalten (das taktunreine Geräusch, welches die Krallen auf unserem Steinboden machen, ein Plumpsen, wenn sie sich mal wieder vermetert beim Hochspringen einer Stufe, das Treppenhüpfen und die Hinterpfötchen kamen nicht mit, wenn sie versucht auf die Couch zu hüpfen und es nicht schafft...). Wir wissen immer genau, wo sie ist, lassen sie nie alleine. Dann die Anspannung im Büro.  Sie war ja wohl noch nie eine Garantie hinsichtlich Sauberkeit war, aber jetzt verliert sie halt einfach mal eine Minute nachdem sie draussen war alles ... Also wie beim Welpen: Aufwachen und vor die Tür. Und dann beten, dass es klappt.

Jede Lautäusserung wird genau zur Kenntnis genommen: Quatscht sie nur mit uns oder ist das Quietschen doch eine Schmerzäusserung? Die Anspannung ist furchtbar. Keine Nacht wird durchgeschlafen - UND: Sie hat unser Bett erobert!

 

Und dann ist da die fröhliche Betty, die eifrig mit tapst im Stall, an der Tür steht und unbedingt dabei sein will, sich freut, dass es ins Büro geht, dort sogar mit Kollegen spielt und ihr authistisches Verhalten vergisst, unaufgefordert ihre Kunststückchen zeigt, wenn sie etwas zum Essen will und deutlich zeigt, dass sie noch wirklich DA ist. Die, die uns in der Früh weckt, damit das Spielen beginnt. Die Ihren Apport-Dummy anschleppt und solange spielt, bis er leer ist.

 

Der Neurologe meint, es dass das Rückenmark nun wohl an der Grenze der Kompensationsfähigkeit sei. Und vermutlich auch keine Schmerzfreiheit mehr besteht.

 

Wir beginnen mit geringen Schmerzmitteldosen. Es verändert sich nichts.

 

"Liebe Frau Tierärztin - sind Sie da Weihnachten im Notfall?". Einer der schmerzhaftesten Momente in meinem Leben, ich kann nur unter Tränden sprechen.

 

Einige Tage später: Und plötzlich wie neugeboren! Phönix aus der Asche. Wir können es kaum glauben. Es geht ihr so gut wie nie. Ein toller Urlaub mit unserer "Bets" am Chiemsee. Spaziergänge! Wir sind soooo froh.

Natürlich mit dem Wissen, dass es keine Wunder gibt - und mit grosser Angst, da wir nun wissen, WIE es sich anfühlen kann für uns alle.

 

"The sexiest dog alive", habe ich vor Neujahr dann noch von Hotelgästen gehört, als wir vorbei gingen. Ja - alles wieder gut. Bis...

 

 

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